Jessen, 24. September 2018 – Die Pilotleitung der innovativen Freileitungstechnologie compactLine wurde Ende August in Betrieb genommen. Damit geht das Forschungsprojekt von 50Hertz, SPIE und weiteren Partnern in die nächste Phase. Ziel der neuartigen 400-kV-Leitung ist es, den hohen Netzausbaubedarf durch die Nutzung von vorhandenen Trassen mit dem neuen Leitungskonzept zu unterstützen, die Akzeptanz hierfür in der Öffentlichkeit zu verbessern und somit lange Genehmigungsprozesse zu verkürzen.
Seit Oktober 2017 errichtet SPIE die Pilotleitung im östlichen Teil von Sachsen-Anhalt in Jessen (Elster). Die Leitung ist 1,8 km lang und besteht aus fünf Masten – drei Trag- und zwei Endabspannmasten. Die Netzeinbindung erfolgte zwischen einer bestehenden Freileitung und dem Umspannwerk Jessen, in dem zuvor SPIE den Ausbau von zwei 400-kV-Schaltfeldern realisiert hatte. Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme wird die compactLine nun in einem Monitoring-Programm für den Praxiseinsatz getestet. In dem mindestens einjährigen Programm werden wertvolle Erkenntnisse über das operative Verhalten der neuartigen 400-kV-Leitung gesammelt.
Von 2013 bis 2016 forschte SPIE im von 50Hertz gegründeten Forschungskonsortium an der Entwicklung und Erprobung der compactLine. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. „Weltweit gibt es keine vergleichbaren Freileitungssysteme für die Höchstspannung, die sowohl in der Höhe als auch in der Breite ausreichend kompakt konstruiert sind. Wir sind unglaublich stolz, nach einer intensiven Forschungsarbeit nun die Ergebnisse in der kompakten Pilotleitung umgesetzt zu haben“, sagt Wolfgang Marthen, Leiter des Versuchs- und Technologiezentrums bei SPIE Deutschland & Zentraleuropa.
Wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung der neuen Freileitung war, den Netzbetreibern höhere Übertragungskapazitäten mit vergleichsweise wenig Rauminanspruchnahme einzuräumen. 50Hertz legte hierfür technische Vorgaben fest, um die kompakte Freileitungstechnologie in vorhandene Systeme und Strukturen zu integrieren. Bestehende 220-kV-Leitungen sollen durch 400-kV-Leitungen ersetzt werden, ohne die Breite und Höhe der 220-kV-Korridore zu überschreiten. „Das Besondere an der compactLine ist, dass sie sich besser in die Landschaft einfügt – weil sie niedriger und kompakter ist als herkömmliche Freileitungssysteme. Man könnte auch sagen, die compactLine ist spektakulär unspektakulär”, so Marthen weiter.
„Neben den technischen Anforderungen haben wir auch von Anfang an auf die Beteiligung durch Bevölkerung und Interessengruppen geachtet“, betont Dr. Frank Golletz, Technischer Geschäftsführer 50Hertz. „Hinweise aus sechs Workshops und einer repräsentativen Befragung flossen in die Entwicklung ein. Der Dialog über Masthöhe und Mastdesign wurde von den Beteiligten sehr gut angenommen.“ Der Schlüssel zur Verringerung der Masthöhe und der Trassenbreite ist die deutliche Reduzierung des Seildurchhanges. Durch die Verwendung von zusätzlichen, stark gespannten Stahltragseilen konnte SPIE den Seildurchhang verringern und die Vorgaben von 50Hertz in der neu entwickelten compactLine umsetzen. „Die Technologie der Stahltragseile ist für den Leitungsbau neu, jedoch in der Seilbahn- und Brückentechnik bereits erprobt und im Gebrauch“, erklärt Ralf Schlosser, Leiter Geschäftseinheit Leitungsbau bei SPIE. „Wir sind sehr stolz, mit unseren Partnern eine weitere Alternative für 400-kV-Leitungen zu realisieren, und freuen uns auf den Praxistest der Pilotleitung in den kommenden Monaten.“