09.08.2023

„Wir setzen ganz bewusst auf Innovationsplattformen"

Ein Interview mit Dr. André Schimmel, Clarissa Hack und Steffen Braun vom Fraunhofer IAO


Die Digitalisierung ist geprägt von Wandel und Dynamik. Wie gelingt es Unternehmen, die richtigen Trends zu erkennen und Innovationen voranzutreiben? Über mögliche Wege und das Vorgehen von SPIE Deutschland & Zentraleuropa sprechen Steffen Braun vom Fraunhofer IAO sowie Dr. André Schimmel und Clarissa Hack im nachfolgenden Interview.

Dr. André Schimmel
Mitglied der Geschäftsleitung/CSO von SPIE Deutschland & Zentraleuropa

Clarissa Hack
Head of Digital Transformation bei SPIE Deutschland & Zentraleuropa

Steffen Braun
Director Urban Systems Engineering beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Lieber Herr Braun, das Fraunhofer IAO entwickelt gemeinsam mit Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen der öffentlichen Hand Strategien, Geschäftsmodelle und Lösungen für die digitale Transformation. Wie gehen Sie vor?

Steffen Braun: Wir verstehen uns als Innovationsbegleiter über den gesamten Entstehungsprozess, von der aktiven Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften über die Ableitung der richtigen Idee bis zur Konzeption, Umsetzung und Skalierung – und das in einer Vielzahl von Branchen und meist mit vielen Partnern gleichzeitig. In Innovationsverbünden und -plattformen wie der Future District Alliance entwickeln wir eng mit über 20 renommierten Partnern wie SPIE neuartige Konzepte entlang der Wertschöpfungskette innovativer Quartiersentwicklung und intensivieren den Wissenstransfer zwischen den Partnern und über Branchengrenzen hinweg.

Lieber Herr Dr. Schimmel, inwiefern sind digitale Innovationen für ein Unternehmen wie SPIE überhaupt relevant und welchen Weg geht SPIE hierbei? 

Dr. André Schimmel: Als Multitechnik-Dienstleister begleiten drei langfristige Trends unsere Unternehmensentwicklung: Klimaschutz, Digitalisierung und demografischer Wandel. Digitale Innovationen unterstützen unsere Vorwärtsentwicklung und wirken als „Booster“. Sie sind unerlässlich, um für unsere Kunden jederzeit den besten Service erbringen zu können und um als attraktiver Arbeitgeber für unsere aktuellen und potenziell zukünftigen Mitarbeitenden zu positionieren.  Wir setzen ganz bewusst auf Innovationsplattformen wie die ARENA2036, die EUREF-Community oder die Future District Alliance, unsere jüngste Initiative, in der wir gemeinsam unter Federführung des Fraunhofer IAO mit weiteren 20 Partnern arbeiten.

Wie unterscheiden Sie als Fraunhofer IAO wirkliche Innovationen von medialen Hypes? Und wann ist Ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt, um sich als Unternehmen mit einem Trend zu befassen? 

Steffen Braun: Tatsächlich ist es heutzutage essenziell, nicht jedem Hype zu folgen, sondern auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen beurteilen zu können, wann Investitionen in inkrementelle, also stufenweise aufeinander folgende Verbesserungen von Vorteil sind – und wann es sich lohnt, in disruptive Innovationen zu investieren. Gleichzeitig zeigt unsere Forschung, dass eine zu frühe Trendbefassung als „Innovator“ oder „Early Adopter“ meistens besser ist als eine zu späte als „Late Mover“. Deshalb entwickeln und setzen wir mit unseren Partnern unterschiedliche Werkzeuge der Zukunfts- und Innovationsforschung ein. Hier hilft unserer Erfahrung nach das Denken in Wertschöpfungsketten und Ökosystemen – raus aus dem eigenen Silo und hin zu aktivem Hinterfragen der eigenen Erfolgsfaktoren. Je mehr Konzepte man als Unternehmen vorausschauend erprobt hat, zum Beispiel in Testfeldern oder Netzwerken, desto eher ist klar, zu welchem Zeitpunkt sich neue Strategien, Produkte oder Betreibermodelle anbieten.

Liebe Frau Hack, inwiefern setzt SPIE das beschriebene Vorgehen um? Wie erfährt SPIE von den richtigen digitalen Trends? 

Clarissa Hack: Gemäß unserer digitalen Strategie setzen wir stark auf unser digitales Ecosystem. Wir nutzen diese Plattformen gezielt, um uns mit der Wissenschaft, mit anderen Unternehmen, mit Kunden und Partnern über digitale Trends auszutauschen, kooperativ zu forschen und Innovationen durch die praktische Erprobung vor Ort weiterzuentwickeln. In unseren sogenannten Use Case Development Workshops beleuchten wir zum Beispiel Trends anhand von konkreten Anwendungsfällen – praxisorientiert mit Kolleginnen und Kollegen sowie Partnern aus dem Business, die ihr fachliches Knowhow direkt einbringen können.

Welche Innovationen werden sich Ihrer Meinung nach 2023/24 als besonders dynamisch erweisen und die Unternehmen nach vorne bringen?

Steffen Braun: Aus meiner Sicht ist für die nächsten Monate entscheidend, nicht kurzfristig auf einzelne Innovationen zu setzen, sondern grundsätzlich neue agile Strategien aufzubauen, die mit unsicheren Rahmenbedingungen klarkommen. Ansonsten wird sicher der produktive Einsatz von generativer KI gewaltige Chancen entlang der gesamten Wertschöpfung von der Planung bis zum Betrieb bieten, das sollte nicht verschlafen werden.

Für welche Trends ist 2023/24 genau der richtige Zeitpunkt bei SPIE?

Dr. André Schimmel: Im Wesentlichen sehe ich fünf konkrete Anwendungsfelder, bei denen durch den Einsatz digitaler Technologien im Tagesgeschäft Mehrwert für unsere Kunden und/oder Effizienzsteigerungspotenziale in der operativen Abwicklung generiert werden:

1. Durch digitale Zwillinge – ganz gleich ob für Gebäude, technische Anlagen oder Infrastrukturen – können z. B. Wartungs- und Instandsetzungstätigkeiten, aber auch Neuinstallationen bzw. Umbauten vorab geplant und simuliert oder remote unterstützt werden.

2. Durch auf der Blockchain-Technologie basierende Smart Contracts werden Rahmenverträge automatisiert, was zeitaufwändige administrative und zumeist mit hohen Kosten verbundene Prüfungen und Freigaben der erbrachten Leistungen durch den Kunden erleichtert. 

3. Mittels Data Analytics bzw. KI-/AI-Applikationen werten wir Sensordaten, Sensoren und Datenpunkte intelligent aus, sodass wir die Services an technischen Anlagen optimieren können. Hieraus resultieren Effizienzsteigerungen durch bessere Disposition der Tätigkeiten. Auch KI-Programme wie ChatGPT bieten Effizienzsteigerungspotenziale, zum Beispiel durch den Einsatz von Chatbots im Service-Desk.

4. Ebenso spielt Robotics eine wichtige Rolle: Bereits heute setzen wir Softwareroboter (RPA) ein, um administrative Prozesse zu automatisieren. Doch ich bin der festen Überzeugung, dass perspektivisch auch physische Roboter den Alltag bei SPIE begleiten werden. Als Anwendungsfelder sehe ich Montageroboter, die Installationsarbeiten in Gebäuden oder Tunnels oder beispielsweise Aushub und Verlegearbeiten auf Grundlage von Planungen mittels digitaler Zwillinge durchführen.

5. Mittels herstellerunabhängiger IoT-Anwendungen lassen sich Energieverbräuche leicht und transparent erfassen und darüber hinaus Einspar- beziehungsweise Vermeidungspotenziale unmittelbar ableiten. Mit Blick auf die notwendige Dekarbonisierung unserer Gebäude und Anlagen trägt dies unmittelbar zum Klimaschutz bei. Positiver Zusatzeffekt: Valide Daten fließen in das CSR-Reporting ein. 

Wie ist SPIE mit Blick auf diese Anwendungsfelder aufgestellt?

Clarissa Hack: Im Rahmen der digitalen Transformation von SPIE befassen wir uns anhand konkreter Use Cases schon seit einigen Jahren mit den genannten Anwendungsfeldern und nehmen dabei rasante Entwicklungen des Reifegrads und damit verbundener Kosten-Nutzen-Attraktivität von einzelnen Lösungen wahr. Für uns als Unternehmen ist es gegenwärtig und zukünftig wichtig, dass wir Innovationen und Trends in unserem SPIE Ecosystem prüfen und praxistaugliche Lösungen mit den SPIE Expertinnen und Experten konkret in die direkte Anwendung bringen. Im Rahmen der digitalen Transformation entwickeln wir die richtigen Prozesse, die uns nachhaltig dynamisch agieren lassen. Zudem stärken wir die digitale Kultur der Organisation, sensibilisieren unsere Kolleginnen und Kollegen durch unsere (#DIGITAL)Schulungen und bieten zahlreiche Informations- und Austauschmöglichkeiten, zum Beispiel die #DIGITAL Webinare, Netzwerke, Digital Mentoring oder Use Case des Monats. Eine große Rolle spielen dabei aktuell und in Zukunft unsere #DIGITAL Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Kunden und Partner unseres digitalen Ecosystems.

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