30.01.2023

Blockchain in der Instandhaltung

Wie passen Blockchain und Facility Services zusammen? Besser als gemeinhin vermutet wird! Blockchain ist eine vielversprechende Technologie, um Overhead-Aufwände bei Facility Services deutlich zu reduzieren, wie SPIE Digital Transformation Manager Lutz Krapf erläutert. Sie ermöglicht Smart Contracts (intelligente Verträge), die gleichzeitig veränderungs- und fälschungssicher sind und eine hohe Automatisierung ermöglichen.

Mit smarten Lösungen und Dienstleistungen verbinden wir als SPIE die physische mit der digitalen Welt. Als starker Partner begleiten wir unsere Kunden bei der Digitalisierung und entwickeln innovative Lösungen, um Prozesse weiter zu optimieren und zu vereinfachen. Seit 2019 beschäftigen wir uns mit der Fragestellung, wie wir mithilfe der Blockchain-Technologie unsere Wartungsprozesse optimieren und automatisieren können. Denn im Vergleich zum herkömmlichen Prozess bringt die Blockchain-Lösung mehr Transparenz und erleichtert unseren Kunden so die Prüfprotokoll- und Rechnungsprüfung, sie erhöht die Rechtssicherheit und erleichtert die Revision und reduziert administrative Aufwände und Durchlaufzeiten. 

Als multitechnischer Dienstleister für unter anderem technisches Facility Management führt SPIE im Rahmen von Instandhaltungsaufträgen zahlreiche Wartungen und Inspektionen an ortsfesten Anlagen durch. Diese Prüfungen der technischen Anlagen werden in einem Protokoll dokumentiert. Nachdem die Inspektion aller geprüften Anlagen abgeschlossen ist, wird eine Gesamtrechnung an den Kunden übermittelt. Gleichzeitig erhält der Kunde auch die einzelnen Prüfprotokolle, um die Leistungen zu kontrollieren und die Rechnung freizugeben. Der Abgleich der einzelnen Dokumente ist für alle Beteiligten zeitaufwändig und entsprechend mit Kosten verbunden.

MITHILFE DER BLOCKCHAIN-TECHNOLOGIE LASSEN SICH SOLCHE INSTANDHALTUNGSPROZESSE FÜR TECHNISCHE ANLAGEN OPTIMIEREN UND AUTOMATISIEREN. DIE TECHNOLOGIE ERSETZT PAPIERDOKUMENTE UND MINIMIERT FEHLERQUELLEN, BESCHLEUNIGT DIE DATENÜBERMITTLUNG UND ERZIELT EINE BESSERE NACHVERFOLGBARKEIT. INSGESAMT WERDEN ADMINISTRATIVE AUFWÄNDE DAMIT DEUTLICH REDUZIERT.

Ermöglicht wird dies durch Smart Contracts, also digitale Verträge, die in einer Blockchain gespeichert und automatisiert ausgeführt werden, wenn die vordefinierten Bedingungen erfüllt sind. In Smart Contracts werden die zu erbringenden Instandhaltungsleistungen und die dazugehörigen Parameter wie Intervalle, Fristen, Protokolle und Nachweise beschrieben und erfasst. Der Smart Contract prüft die in die Blockchain transferierten Daten und führt bei erreichtem Erfolg eine Aktion aus, wie die Erbringung einer Gegenleistung bzw. die direkte Bezahlung.

Technische Anforderungen und Auswahl der Architektur

Für die konkrete Umsetzung gilt es, die technischen Anforderungen zu klären und eine geeignete Architektur der Blockchain auszuwählen: Eine grundlegende Entscheidung muss zwischen öffentlichen („permissionless“) oder zugangsbeschränkten („permissioned“) Blockchains getroffen werden. Wenn die teilnehmenden Parteien definiert sein sollen und – wie in diesem Anwendungsfall – die Teilnahme am Prozess der gegenseitigen Zustimmung bedarf, fällt die Wahl meist auf zugangsbeschränkte Systeme.

Kennen sich die Teilnehmenden kann der Konsensmechanismus, also die Art und Weise, wie Einigkeit über den Status der Blockchain zwischen allen Teilnehmenden erzielt wird, effizient und daraus folgend ressourcen- und energiesparend gewählt werden. Die Anforderungen an virtuelle Maschinen oder dedizierte Server für Blockchain-Knoten sind eher niedrig.

In diesem Anwendungsfall fiel die Wahl auf die von der Linux Foundation angebotene Open-Source-Plattform Hyperledger Fabric. Diese stellt Funktionen für Konsortium-Management – also Teilnehmende und deren Zugangsberechtigungen – sowie energieeffiziente Konsensalgorithmen wie Delegated Byzantine Fault Tolerance (dBFT) zur Verfügung. In der Microsoft-Azure-Cloud-Umgebung mit Linux Ubuntu wurde eine Architektur aus mehreren virtuellen Maschinen (VM) aufgesetzt:

  • Hyperledger Fabric als Blockchain-Knoten 
  • Interplanetary Filesystem (IPFS) zur DSGVO-konformen Dateiablage
  • Webserver für die webbasierte Benutzeroberfläche inklusive Content Management System zur Verwaltung der Nutzerinnen und Nutzer. 
Datenschutz

Selbstverständlich muss mit der Speicherung personenbezogener Daten von Mitarbeitenden der am Prozess beteiligten Unternehmen besonders sensibel umgegangen werden. Persönliche Daten werden deshalb pseudonymisiert in Hyperledger abgelegt. Die Umsetzung erfolgt mittels Hash-Funktionen, die keine Rückschlüsse auf die ursprünglichen Inhalte zulassen. Im Bedarfsfall ist die nachträgliche Zuordnung einer ausgeführten Handlung zu einem Mitarbeitenden aber möglich. Denkbar wäre zudem eine darauf auf-bauende Anonymisierung der Daten. 

Die Umsetzung des Rechts auf Löschung persönlicher Daten erwies sich im Pilotprojekt als positiver Einfluss auf die Architektur insgesamt: So werden Dokumente wie Wartungs-protokolle im PDF-Format nicht im Hyperledger direkt, sondern in dem separaten Dateisystem IPFS abgespeichert. Dies hat den Vorteil, dass bei Entfernen eines Dokuments die Blockchain selbst intakt bleibt. Zudem kann die Blockchain im Umfang schlanker gehalten werden. 

Die eingesetzten Softwarekomponenten kommunizieren über APIs miteinander und lassen sich nach Bedarf in einer Cloud oder auch vor Ort platzieren. Die Bedienoberfläche ist ohne Erfordernis einer Installation im Browser möglich sein.

Der Prozess

Blockchainbasierte Wartungsprozesse lassen sich in unterschiedlicher Ausprägung in be-stehende Funktionen integrieren. Gehen wir in unserem Fall davon aus, dass die turnusge-mäße Wartung einer Anlage ansteht. Die zu erbringenden Instandhaltungsleistungen und dazugehörige Parameter wie Intervalle und Fristen, zu liefernde Protokolle und Nachweise wurden vorab als Vertragsbestandteile durch Code beschrieben. Nun wird in der Blockchain eine Wartungsanforderung per E-Mail versendet, die eine Auswertung mittels Robotic-Process-Automation (kurz: RPA) auslöst. Die Wartungsanforderung wird  inhaltlich analysiert, einem Smart Contract zugeordnet und dem Hyperledger als Ereignis per API mitgeteilt. Ebenso wird der bei der Ablage der E-Mail-Datei im IPFS erhaltene Content Identifier (CID), also der Link ins IPFS, an den Hyperledger mitgesendet.

Ab jetzt beginnen die in der Wartungsanforderung mitgeteilten Fristen für die Ausführung der Wartung und Abgabe der Wartungsdokumentation. Parallel läuft die konventionelle Planung der Wartung einschließlich Disponierung des Personals und Materials. 

Anwesenheitsdokumentation per App
Vor Ort weisen die Mitarbeitenden, die die Wartungstätigkeiten ausführen, ihre Anwesenheit an der Anlage durch das Scannen eines QR-Codes oder eines NFC-Tags nach. Eine Mobile App signiert dies mit Datum und Uhrzeit und schafft so den räumlichen und zeitlichen Nachweis der Anwesenheit an der richtigen Anlage. Diese landet als „Proof-of-Presence“ im Hyperledger.

Während des Instandhaltungsprozesses werden Teilschritte in einer per Low-Code-Plattform („Smap One“) erstellten mobilen App protokolliert, als abgeschlossen gekennzeichnet und anschließend auf einen Applikationsserver hochgeladen. Eine weitere RPA prüft fortlaufend den Applikationsserver auf neue relevante Protokolle und leitet diese inhaltlich analysiert an den Hyperledger sowie im PDF-Format an das IPFS weiter.

Kommt der Smart Contract nach Durchlaufen vorher definierter Prüfungen zu  dem Ergebnis, dass die Instandhaltung korrekt, umfänglich und fristgerecht ausgeführt wurde, so signalisiert er diesen Zustand in der Benutzeroberfläche und empfiehlt damit die weitere Bearbeitung der zugehörigen Rechnung. Die Prüfungen werden mittels einheitlicher Parameter durchgeführt, welche in Vorfeld von allen Beteiligten abgestimmt wurden. Erst wenn alle definierten Kriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfung als erfolgreich und kann abgerechnet werden. 

Ausblick
Im Vergleich zum herkömmlichen Instandhaltungsprozess bringt die Blockchain-Lösung einerseits mehr Transparenz und macht die Dokumentationen rechts- und revisionssicher; andererseits erleichtert sie den Kunden die Prüfung der Rechnungen sowie der Wartungs- und Inspektionsprotokolle. Damit reduziert sie für Kunden und Dienstleister administrative Aufwände.

ARENA2036 _v5 - Bildnachweis SPIE
Lutz Kraft, Digital Innovation Manager bei SPIE Deutschland & Zentraleuropa
Es bedarf sowohl mit Blick auf die Technik als auch mit Blick auf das beteiligte Personal noch weiterer Vereinfachung und vor allem Knowhow-Transfer, damit die Blockchain-Technologie stärkere Verbreitung findet: Damit Smart Contracts zukünftig einfacher zu implementieren und transparenter zu betreiben sind, wäre eine Senkung der Einstiegshürden durch Low-Code-Plattformen erstrebenswert. Vor allem muss aber der Knowhow-Transfer zwischen den Projektbeteiligten sichergestellt werden.

Ebenso verbessert werden muss das Teilen von Knowhow durch mehr Transparenz bei der Implementierung. Erst wenn den Mitarbeitenden in den operativen Einheiten die Erstellung von Smart Contracts zumindest mit Basisfunktionen ermöglicht wird, kann sich eine Angebots- und Nachfrageschleife entwickeln, die zu einer breiteren Anwendung der Blockchain-Technologie und damit zur Vereinfachung der Dokumentation von Instandhaltungsleistungen in der Breite führt.

Artikel speichern
Artikel teilen
News Notizen.url

Das Lünendonk-Whitepaper "Blockchain und Smart Contracts" ist ab sofort verfügbar.

Jetzt herunterladen